Personalausweise und PässeHeute leider noch kein Foto für dich

Das Papierpassbild soll ab Anfang Mai ausgedient haben. Aber noch ist für die neuen, digitalen Lichtbilder bei Behörden und Fotograf:innen längst nicht alles bereit. Wer bald ein neues Identitätsdokument braucht, muss mit Turbulenzen rechnen.

Fotomontage aus Wolke, Passbild und Personalausweis. Das Passbild ist in die Wolke integriert.
Kommt das Lichtbild für Erika Mustermann bald auch aus der Cloud? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Wolken: José Ramos, Bearbeitung: netzpolitik.org

Die Tickets für den großen Sommerurlaub sind gebucht und zum Glück fällt beim prüfenden Blick auf den Pass noch rechtzeitig auf, dass der bald abgelaufen ist. Beim Bürgeramt gibt es noch einen Termin in vier Wochen, dann sollte alles rechtzeitig da sein. Und im Einsteckfach der Geldbörse findet sich noch eins der kleinen Passbildchen, das bis auf die paar grauen Haare mehr noch ganz aktuell aussieht. Also alles bereit für die Ferienstimmung? Nein.

Lichtbilder für Personalausweise, Reisepässe oder Aufenthaltstitel sollen ab Mai 2025 nur noch auf zwei Wegen zum Amt finden dürfen: Entweder, eine Person macht das Bild direkt bei der Behörde, bei der sie das Dokument beantragt. Oder sie geht zu einem Foto-Dienstleister, der es über eine zugelassene Software an die Behörde übermittelt. Das steht seit Ende 2020 fest, als das „Gesetz zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen“ verkündet wurde.

Begründet wurde die Änderung damals neben dem Qualitätsverlust durchs Einscannen vor allem damit, dass Antragstellende Bilder manipulieren könnten, die sie selbst zur Behörde mitbringen. Besonders das sogenannte Morphing stand im Mittelpunkt der Diskussion. Dabei werden Lichtbilder aus den Gesichtern mehrerer Personen verschmolzen. Eine Aktivistin des Kollektivs Peng hatte 2018 erfolgreich einen Reisepass mit einem so bearbeiteten Bild beantragt. Das löste Diskussionen aus.

Keine Zahlen zu Manipulationen

Doch wie häufig kommen solche Manipulationen in der Realität vor? Ist es ein echtes Problem, dass Menschen manipulierte Bilder in Pässe schmuggeln? Das Bundesinnenministerium kann diese Frage offenkundig nicht beantworten. Es gebe bisher „keine Technik, mit welcher Morphs zweifelsfrei detektiert werden können“, schreibt ein Sprecher des BMI auf Anfrage. Kommen falsche Identitätsdokumente missbräuchlich in den Einsatz, würden Morphing-Fälle nicht „getrennt statistisch erfasst, sondern sind Teildelikt eines umfassenderen Ermittlungsverfahrens“. Das heißt: Es gibt keine Informationen, wie viele Lichtbilder manipuliert werden oder wie viele dieser Versuche auffliegen.

Hinweise auf die Brauchbarkeit des Bildmaterials könnte vielleicht noch eine Qualitätsstatistik geben, die entsprechend der Personalausweisverordnung vorgeschrieben ist. „Sie enthält anonymisierte Qualitätswerte zu Lichtbildern und Fingerabdrücken“, heißt es dort. Doch diese Statistik ist geheim. „Die konkreten Inhalte dieser Auswertung sind aus Sicherheits- und Datenschutzgründen nicht öffentlich zugänglich“, schreibt ein Sprecher des BMI.

Dennoch verrät das Ministerium auf Anfrage, dass seit 2020 in 9,5 Millionen Fällen Lichtbilder für Identitätsdokumente zugelassen wurden, obwohl ihre Biometrie-Qualität von einer Software nicht als positiv bewertet wurde. Das entspricht 12 Prozent des Gesamtaufkommens aller Anträge für Reisepässe, Personalausweise und Aufenthaltstitel. „Wichtig ist hierbei, dass die Bilder nicht komplett untauglich sind, sondern die vorgegebenen Qualitätswerte mindestens eines Merkmals der automatisierten Bewertung nicht erfüllen“, schreibt das BMI. In einer manuellen Prüfung seien sie dann zugelassen worden.

Welche Merkmale das sind, sagt das BMI nicht im Detail. Entsprechend einer Mustertafel könnten das eine mangelhafte Ausleuchtung sein, aber auch eine Brille, die Teile der Augen verdeckt. Ohne genaue Daten ist es schwer nachzuvollziehen, wie tauglich oder ungeeignet die entsprechenden Bilder waren.

Warum werden überhaupt Bilder akzeptiert, die streng genommen nicht den Anforderungen entsprechen? Ein Grund könnten „dauerhafte körperliche Einschränkungen der Person im Gesichtsbereich“ sein, schreibt das BMI. Also beispielsweise eine Lähmung, die den vorgeschriebenen neutralen Gesichtsausdruck mit geschlossenem Mund und geöffneten Augen unmöglich macht.

„Ausnahmen gelten auch für Säuglinge, von denen aus offensichtlichen Gründen nicht erwartet werden kann, eine biometriekonforme Gesichtspose einzunehmen“, heißt es weiter. Trotz solcher unabänderlichen Gründe geht das BMI davon aus, dass künftig die Quote an untauglichen Bilder abnehme, weil in „Zweifelsfällen unkompliziert und bürgerfreundlich ein neues Foto in der Behörde gefertigt werden kann“.

Kommunen warnen vor technischen Problemen

Wie unkompliziert und bürgerfreundlich dieser Prozess anfangs ablaufen wird, ist fraglich. Denn trotz der viereinhalb Jahre Umsetzungszeit müssen sich alle, die ab Mai einen neuen Ausweis brauchen, auf Probleme einstellen. Das verrät ein Blick auf die Websites verschiedener Städte und Gemeinden. Wegen „möglicher anfänglicher technischer Herausforderungen“ empfiehlt die bayerische Gemeinde Feldkirchen-Westerham ihren Einwohner:innen, ein „neues Ausweisdokument spätestens bis Mittwoch, den 30. April 2025 mit ausgedruckten Passfotos“ zu beantragen, wenn sie „noch in diesem Jahr eine dringende oder wichtige Reise planen“.

Das Landesamt für Einwanderung in Berlin schreibt: „In der Anlaufphase kann es zu technischen Unregelmäßigkeiten mit den neuen Selbstbedienungsterminals kommen.“ Antragsteller:innen sollen weiterhin „unbedingt ein aktuelles biometrisches Passfoto“ mitbringen.

Die Warnungen haben mehrere Gründe: Noch sind längst nicht alle Kommunen mit eigenen Geräten ausgestattet, um die Lichtbilder aufzunehmen. In manchen wird es auch in Zukunft keine geben. Und von den Systemen, mit denen Fotostudios professionell geknipste, biometrische Bilder an die Ämter übermitteln sollen, ist noch kein einziges zugelassen.

Platzhirsch ist die Bundesdruckerei

Die fast 6.000 betroffenen Ämter in Deutschland haben mehrere Möglichkeiten, wenn sie selbst eine Foto-Option anbieten wollen. Die allermeisten von ihnen werden aber wohl bald ein System der Bundesdruckerei nutzen. Die Geräte mit dem Namen „PointID“ gibt es als Tisch- oder Standgerät, wahlweise mit integriertem Fingerabdruckleser und einem Feld zur Unterschrifterfassung.

„Jede Kommune hat vor etwa einem Jahr ein entsprechendes Angebot erhalten“, schreibt das Bundesinnenministerium auf Anfrage. Zahlen müssen die Kommunen dafür nichts. Die Kosten würden über „Nutzungsentgelte und Gebühren“ refinanziert. Das heißt: Die Antragsteller:innen zahlen für die Bilder auf dem Amt, und das Geld fließt an die Bundesdruckerei zurück. Die zusätzlichen Kosten für ein Lichtbild bei der Ausweisbeantragung betragen dann sechs Euro.

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Mit dem Angebot an alle Kommunen werde „sichergestellt, dass auch finanziell schwächere Kommunen entsprechende Lichtbilderfassungssysteme einsetzen können“, schreibt ein Sprecher des BMI weiter. Aber sie können auch andere Lösungen nutzen, wenn sie das möchten.

Verzögerungen durch Bundestagswahl und Streiks

In den Ämtern ausgerollt werden die PointID-Geräte seit Februar. „Zum 1. Mai 2025 werden sich bereits mehrere tausend Systeme in den Kommunen befinden“, so das BMI. Und bis August sollen dann alle, die wollen, versorgt sein.

Eigentlich wollte man, räumt das Ministerium ein, bis Mai „deutlich mehr Geräte im Feld“ haben. Was sind die Gründe für die Verzögerung bei einem Prozess, der seit mehreren Jahren absehbar war?

Zum einen, so das BMI, hätte die vorgezogene Bundestagswahl zu verschobenen Prioritäten bei den Kommunen geführt, die „ihre Ressourcen zunächst in die reibungslose Durchführung der Wahlen investiert“ hätten. „Auch die Arbeitskampfmaßnahmen in den Kommunen führten punktuell dazu, dass für den Rollout vorgesehene Standorte nicht ausgestattet werden konnten, da sie bestreikt wurden“, so das Ministerium weiter. Der Rollout sei komplex, Umplanungen führten „mitunter zu größeren Auswirkungen“.

Einige Ämter bieten schon seit mehreren Jahren an, bei der Ausweisbeantragung die Fotos direkt vor Ort zu machen, etwa mit den Self-Service-Terminals. Die kommen, wie die neuen PointID-Geräte, von der Bundesdruckerei, doch ab Mai sind sie wohl nutzlos. Wie das Innenministerium erklärt, „entsprechen die ‚Alt-Systeme‘ nicht mehr den neuen Anforderungen“. Sie werden durch die PointID-Terminals ersetzt.

Ab zur Fotografin?

Auf einigen Ämtern wird es also Anfang Mai nicht möglich sein, vor Ort ein Lichtbild für das neue Identitätsdokument zu knipsen. Auf anderen vielleicht nie. Doch wie sieht es mit der Alternative aus – dem Bild beim Foto-Dienstleister, der es direkt zur Behörde übermittelt? In diesem Verfahren, so der Plan, bekommen die Antragstellenden vom Fotoladen einen Code mitgegeben. Die Behörde kann die damit verknüpften Lichtbilder direkt abrufen.

„Alle Pass-, Ausweis- und Ausländerbehörden sind nach Kenntnis des BMI bereits heute in der Lage, digitale Lichtbilder anzunehmen“, schreibt das Innenministerium. Eine Antwort der Stadt Bielefeld, die ebenso wie die Antwort des BMI am vergangenen Freitag eintraf, klingt anders. Ein knappes „Nein“ kommt von dort auf die Frage, ob es dort bereits eine Anwendung gibt, mit der Lichtbilder von Fotograf:innen direkt an die Ausweisstelle übertragen werden können.

In Bielefeld ist man dennoch optimistisch: „Zum jetzigen Zeitpunkt wird davon ausgegangen, dass zum 1. Mai 2025 die Voraussetzungen für die Umstellung auf digitale Lichtbilder gegeben sind“, heißt es aus der Stadt. Das Bürgeramt Bielefeld-Heepen hat bereits Erfahrung mit dem neuen Lichtbild-Prozess, die Behörde hat 2023 an einem Pilotprojekt teilgenommen. Die Erfahrungen daraus bewertet die Stadt als „sehr positiv“.

„Ab Mai wird schon alles klappen“

Ebenso zuversichtlich ist Thilo Röhrig von der Gruppe Ringfoto, einem großen Verbund von Fotohändlern in Deutschland. Und dem Namen „alfo.passbild“ stellt Ringfoto ein System zur Verfügung, dass ab Mai „die technischen Voraussetzungen des Gesetzgebers“ erfüllen soll, schreibt Röhrig per E-Mail. Derzeit seien mehr als 3.000 Foto-Dienstleister für das System registriert.

„Unsere Mitglieder, Fotohändler/Fotostudios und Fotografen erstellen das Bild mit einer digitalen Kamera und brauchen einen PC mit Softwareanbindung einer unserer Systempartner“, schreibt Röhrig. Nach der Aufnahme werde das Bild in eine besonders gesicherte Cloud geladen „und der Kunde/Bürger erhält darüber hinaus einen QR-Code, mit dem auf dem Amt bei der Passbeantragung dann sein Bild abgerufen werden kann“.

Zertifiziert ist „alfo.passbild“ bis zum heutigen Tag noch nicht. Auch kein einziges anderes System, das Lichtbilder an die Ämter übermitteln kann. Das geht aus der Liste der zertifizierten Produkte des BSI hervor. Thilo Röhrig geht jedoch davon aus, dass es bis zum 1. Mai beim Produkt von Ringfoto klappt.

Auch ein Sprecher des BSI schreibt auf Anfrage von netzpolitik.org, dass der Abschluss der Zertifizierungsverfahren „zeitnah erwartet“ werde, „sobald die entsprechenden Prüfberichte im BSI eingegangen sind“. Derzeit befinden sich laut Angabe des Bundesamtes zwei Cloud-Dienste zur Speicherung der biometrischen Daten und fünf Software-Lösungen zur Verschlüsselung und Übermittlung der Lichtbilder an die entsprechende Cloud im Zertifizierungsverfahren.

Die Zeit wird knapp

Rund vier Wochen vor Start ist also vieles in der Schwebe. Was bedeutet das für alle, die bald ein neues Identitätsdokument brauchen und keinen Termin mehr im April ergattern können? Es zeichnet sich ab, dass sie bei Behörden ohne eigenes Foto-Terminal wohl übergangsweise doch noch einen mitgebrachten Ausdruck nutzen könnten. Das berichtet auch Der Spiegel.

Aber absehbar ist: Die Zeit der Papier-Passbildchen ist bald vorbei. Außer vielleicht für Anglerausweise – die empfiehlt das Innenministerium als Verwertung für übriggebliebene Aufnahmen.

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5 Ergänzungen

  1. Wie sieht’s mit den Führerscheinen aus?

    Laut FeV müssen die Lichtbilder für die Führerscheine die Anforderungen der PassV erfüllen. Und zum 1. Mai 2025 wird die PassV und die PAuswV vom von Euch erwähnten Gesetz von 2020 für das obig genannte Verfahren angepasst.

    Nun steht aber in der FeV §21:

    „ein Lichtbild, das den Bestimmungen der Passverordnung vom 19. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2386), die zuletzt durch Artikel 2 der Verordnung vom 20. August 2021 (BGBl. I S. 3682) geändert worden ist, entspricht,“

    Heißt, die Änderung zum 1. Mai 2025 wird nicht für den Führerschein gelten, da diese nicht die Formulierung „in der aktuell geltenden Fassung“ enthält, sondern auf die Fassung vom 20. August 2021 verweist und auch keine Änderung dahingehend vom Gesetzgeber geplant ist.

    Das heißt, beim Führerschein bleibt ja alles beim Alten?

  2. Ich hab persönlich jetzt auch wenig Interesse daran, in ein paar Jahren immer noch für „Passfotos“ zum Foto-Laden latschen und dort für ein „Spezial-Selfie“ extra blechen zu müssen. Mit 6€ komme ich beim örtlichen Fotohändler auch bei weitem nicht aus. Das sollte meiner Meinung nach gar nicht extern vergeben werden, dann könnte man sich die Zertifizierungsprozesse auch komplett sparen.

  3. Nun war es immer schon ein Prozessfehler, dass es auf dem Entstehungsweg eines Ausweises einen Schritt mit ungeprüfter Übernahme einer Nutzereingabe (Passbild) gab. Das sollte speziell jedem SW-Entwickler klar sein.

    Letztlich wird jetzt endlich ein Fehler korrigiert und es kommt prozessdefiniert ein geprüft korrektes Bild in das Dokument.

    1. Stimmt, aber da man sien eigenes Bild nicht mehr ausdrucken und mitbringen kann, erzeugt es nur mehr Bürokratie.

      Da ist die Frage: Ist die Bürokratie wichtiger oder die Sicherheit?

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